Ein Zeitungsartikel mit dem sensationellen Titel „Skandal! Umwelt-Blogger fährt Sprit-Säufer!“ über Reto Stauss‘ Urlaubsfahrt mit seinem VW-Bus Bj. 84 hat mich wieder einmal dazu gebracht darüber nachzudenken, ob ein Neukauf immer die beste Lösung ist. In diesem Fall speziell der Kauf eines neuen, sparsamen Fahrzeuges. Vorher aber noch einen lieben Gruß an Reto Stauss und ein paar Fakten (Geständnisse) vorweg:
Ich fahre auch mit meinem VW-Bus (BJ. 80!!) auf Urlaub. Der Verbrauch des Buses liegt bestimmt auch bei über 10 Liter, wenn man die Bücher liest. Doch gibt es einige Tricks diesen Verbrauch zu reduzieren (Windschatten nutzen, wenig Stadtfahrten, …). Mein Bus ist als Camper umgerüstet und daher noch etwas stärker Ressourcen verbrauchend (vermute ich). Nehmen wir also 15l /100Km an (das macht ev. Rechnungen leichter). Im folgenden möchte ich nun einige Punkte auflisten, die bei der Entscheidung Neukauf oder Weiterverwendung alter bzw. veralteter Fahrzeuge bedacht werden sollten:
- Kumulierter Energieaufwand eines neuen Fahrzeuges
- Fahr- und Nutzungsweise
- Art des Urlaub
(1) Kumulierter Energieaufwand eines Fahrzeuges
Der Kumulierte Energieaufwand (KEA) ist eine Maßzahl für den Gesamtaufwand an Energieressourcen (Primärenergie) zur Bereitstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung (Wikipedia). Bei der Berechnung wird die Herstellung, der Gebrauch und die Entsorgung berücksichtigt. Zu dessen Berechnung kann ein Gratis-Tool des deutschen Öko-Instituts namens GEMIS (Globales Emissions-Modell integrierter Systeme) helfen oder auch die Datenbank ProBas des deutschen Umweltbundesamtes. Besonders bei großen, langlebigen Produkten ist der Anteil des Energieaufwandes für Herstellung und Entsorgung sehr hoch, wenn sie nur kurzzeitig verwendet werden. Klar, jemand, der sein Auto nach 5 Jahren verkauft, kann einwenden, dass in diesem Fall die Entsorgung entfällt. Doch am Ende der Käufer-Verkäufer-Kette wird meist für ein neu gekauftes Auto ein anderes entsorgt.
Der Energieaufwand für die herstellung eines neuen Autos und die Entsorgung des Alten muss also erst einmal amortisiert werden.
(2) Fahr- und Nutzungsweise
Ich benutze mein Fahrzeug nur dann, wenn ich wirklich ein Fahrzeug brauche. Dazu gehören Transporte, Urlaubsreisen mit Campingcharakter, Ausflüge bevorzugt mit vollem Fahrzeug oder wenn viel Gepäck für die Freizeitgestaltung mit den Kindern mit muss …
In der Stadt selbst benutze ich die Öffis und das Fahrrad oder gehe zu Fuß. Mein Auto trägt seinen Teil dazu bei, denn ich bin mir dessen bewußt, dass es ein Benzin-Fresser ist.
Da aber selbst ein stehendes Fahrzeug Ressourcen verbraucht (Parklatzfläche, Abnutzung auch ohne Bewegung) biete ich es anderen Leuten in einem privaten Car-Sharing an (Details hier). Der Gedanke dabei ist natürlich auch, dass andere sich kein eigenes Auto kaufen müssen und somit wieder keine Energie verbraucht wird.
Weiters fahre ich keine hohen Geschwindigkeiten (bei denen bekannterweise der Verbrauch am höchsten ist) und nutze auf der Autobahn den Windschatten anderer Fahrzeuge. Der Flächenbedarf durch hochrangige Verkehrsnetze ist besonders hoch und bedient neben dem immer stärker werdenden LKW-Verkehr vor allem das raschere Vorwärtskommen. Der Verkehrsexperte Hermann Knoflacher beschreibt das sehr treffend so:
„Mobilität kann sinnvoll nur zweckbezogen definiert werden, denn jeder Weg dient dem Zweck, am Ende des Weges das zu finden, was am Beginn gefehlt hat. Die Zahl der Wege hängt daher von der Zahl der Zwecke einer Gesellschaft ab – und diese ist über die Zeit gleich geblieben. Denn früher wie heute gehen oder fahren die Menschen zur Arbeit, zum Einkauf, zur Ausbildung, in die Freizeit, zu Bekannten usw. – und nach Hause. Die Zahl der Zwecke hat sich mit der Motorisierung nicht geändert – nur die Ziele sind weiter weg, weil die Geschwindigkeiten zugenommen haben. Geschwindigkeit im Verkehrswesen reduziert daher nicht die Reisezeiten im System – wie es individuell erlebt und irrtümlich in die Rechnungen für Infrastrukturen übertragen wird – sondern verändert nur die Strukturen.“
Die Folge eines Autos, mit dem man geringere Geschwindigkeiten fährt ist also schon daher ein geringerer Benzinverbrauch, weil man nicht so weite Strecken zurücklegt.
(2) Art des Urlaubs
Um nun den Kreis zu schließen und wieder auf den „Umweltsünder“ Reto Stauss zurückzukommen … In genanntem Artikel selbst wurde erwähnt dass er zum Campen im Elsass war. Ich selbst verbringe meinen Urlaub auch sehr gerne mit Campen. Die Wege sind daher in fahrbarer Distanz (meist unter 1000 Km), für die Unterkunft müssen keine teuren Hotels mit hohem Energieaufwand gebaut werden und vor Ort benutze ich wieder vornehmlich Fahrrad und Füße oder Öffis.
Die Anschaffung neuer Dinge, die weniger Verbrauch haben, gleich als nachhaltig zu bezeichnen möchte ich an dieser Stelle also ernsthaft in Frage stellen. Der Nutzen dieser Dinge beispielsweise für das Klima stellt sich erst verspätet ein. dann könnte es aber sein, dass es bereits wieder ein Produkt mit noch geringerem Verbrauch gibt und man sich also (um konsequent zu bleiben) wieder dieses neue Produkt kaufen muss. Man begibt sich damit also in einen Teufelskreis. Manchmal macht es also Sinn, wenn man Dinge bis zur totalen Materialermüdung gebraucht und somit Ressourcen schont. Manchmal, wie gesagt … nicht immer! Ein Nachhaltigkeitssiegel (siehe dazu diesen Eintrag) kann zukünftige Produkte auch noch langlebiger machen.
Zum Weiterstudieren:
- Wenn der Aufwand den Inhalt übersteigt – Ein Bericht zum Thema KEA von einem der großen Stromanbieter (!!) in Österreich
- Zum Thema Life Cycle Assesment (LCA – das englische Pendant zum KEA) [EU] [USA]
[ad name=“inside_post“]
Reto meint
Hey, Roland, sehr schöne Betrachtung. Fahre ab jetzt nur noch mit dem Bus weg ;-). Hätte Dich übrigens schneller gefunden, wenn Du mal direkt zu mir verlinkt hättest.