In der letzten Woche habe ich wieder viel gehört und folglich auch darüber nachgedacht: Was ist schlecht am ÖKO 1.0 oder generell an der ersten Generation. Der Grund meiner Gedanken und der Inputs war die Sustainability Conference, die Biofach 2009 und das daran angeschlossenen Bloggertreffen der Nachhaltigkeitsszene in Nürnberg letzte Woche.
Die Antwort ist natürlich vermeintlich einfach und komplex … sie lautet nichts und doch so vieles. Erste Generationen oder „Beta“-Versionen, wie sie so schön genannt werden haben natürlich ihre Fehler und sind vielfach ein Versuchsstadium. Wenn man von Ökos spricht, wird die Diskussion aber schnell ein wenig skurril. Auf der Biofach habe ich in 2 Vorträgen immer wieder gehört, dass „öko“ oder „bio“ heute einfach sexy sein muss, dass es mit Genuss verbunden wird und nicht mit Entbehrung oder Abstinenz. Interessanterweise liegt darin natürlich eine klare Wertung. Sexy und Genuss sind gut, Abstinenz und Entbehrung werden als nicht erstrebenswert angesehen. Vor der Finanzkrise war das ja auch wirklich en Vogue und konnte durchaus als Trend propagiert werden. Doch wie siehts damit während der Krise aus und insbesondere, wie wird es nach der Krise aussehen?
Meiner Meinung nach ist nicht nur zu hinterfragen, ob Produkte wirklich sexy sein müssen, um die Masse anzusprechen sondern auch ob maßloser Konsum (zugegebener Massen übertreibe ich hier ein wenig) auch von ökologisch korrekten und fair gehandelten Produkten ein brauchbares, sprich tragbares Zukunftsmodell ist. Ökos 1.0 werden häufig als langhaarige Latzhosenträger dargestellt. Denen gegenüber stehen hippe junge Girlies und Boys in trendigen Klamotten und mit Bio-Energy-Drinks (in der Dose! – vorsicht, es wird gejodelt). Das Problem dabei für mich: Trends sind nicht selten kurzfristig und werden ständig erneuert. Damit verbunden ist auch der häufige Konsum von Produkten, die kurzlebig sind oder schon vor ihrem tatsächlichen Lebensende erneuert werden. Bei den heutigen Vertretern des LOHAS wandern sie dann nicht mehr in den Müll, sondern bleiben im Kasten liegen, werden bei ebay versteigert oder landen im Secon Hand Shop oder bei der Caritas. Bestimmt ist dieses Handeln ökologischer als das früherer Konsumenten. Doch ökologisch ist es deswegen noch keinesfalls.
Sollten dies wirklich die Ökos 2.0 sein, dann haben sie sich zwar bestimmt weiterentwicklet, doch haben sie eindeutig den Ökopfad verlassen um im bequemen und kulinarischen Bioeck Platz zu nehmen.
Es gibt aber auch eine Weiterentwicklung der Ökos 1.0 … allerdings in der Stufe 1.5 … sie haben sich um das Element öko 2, nämlich ökonmisch weiterentwickelt und weiterhin auch das Element sozial dabei behalten. Ob sie nun als LOVOS oder als Sustainopreneure bezeichnet werden ist dann wohl Geschmacksache. Jedenfalls ist ihnen Weitsicht und langfristig stabile Entwicklung gemein. Bei den Okos 2.0 (der Begriff wird ja zunehmends einseitig vereinnahmt) vermisse ich zunehmends diese Perspektive.
Horst meint
Ökos 1.0 und noch mehr die Lovos sind halt keine attraktive Zielgruppe. Deswegen ist der Stempel LOHAS schon ganz brauchbar, mit dem man Ungrünen-Firmen ganz klar machen kann, dass sie ja sowas von veraltet sind. 8-)
herwig Danzer meint
Hallo Roland, hallo Horst,
auch wenn sich mein eigenes ökologisches Gewissen vor ca 30 Jahren entwickelt hat, fühle ich mich weder als Öko 1.0. noch als Lohas (fürs Lohäschen hab´ich wohl eh´die falsche Figur). Wir „Alten“ haben alle unseren Weg finden müssen zwischen Anspruch und Wirklichkeit und zwischen Verzicht und Luxus und das ist bei den Jungen nicht anders, nur auf anderem Niveau. Während mir selbst und vielen meiner Kunden zum Beispiel der Verzicht auf den Nobelschlitten total leicht fällt, investieren wir in – wie wir meinen – vernünftige Einrichtung oder Küchen, die wiederum verschuldeten oder den wenigen vermögenden Porschefahrern als reiner Luxus erscheinen mögen. Deswegen denken wir nicht in numerierten Zielgruppen, sondern formulieren unsere Botschaft der ökologischen und individuellen Einrichtung (hoffentlich) einfach und ehrlich, in der Hoffnung, dass sie alle Generationen verstehen können.
Völlig klar ist aber, dass der Konsumaspekt alleine viel zu kurz greift. Damals wie heute kann man die persönliche Verantwortung nicht auf den Einkauf reduzieren.
Daniel Schulz meint
Mir scheint bei „Öko“ sind die Versionsnummern ebenso problematisch wie beim „Web“, da sie einen plötzlichen Sprung in einer als weitgehend linear angenommenen Entwicklung implizieren.
Um beim Beispiel zu bleiben: Das Web 2.0 hat auch das Web 1.0 nicht komplett abgelöst, vielmehr hat es bestimmten Nutzungsformen ein neues Gesicht gegeben, die vielleicht noch mehr Menschen ansprechen. So hat es beispielsweise auch schon im Web 1.0 Communities gegeben (man denke nur an The Well), aber heute haben sich die Nutzergruppen stark erweitert. Ebenso gibt es auch weiterhin das Web 1.0, also statische Seiten etc.
Ich würde vermuten, dass es vielleicht bei Ökos 1.0 und 2.0 ähnlich ist. Hier gibt es einen „neuen“ Lebensstil, dem neue Konzepte und eine neue Ästhetik zu eigen sind, der aber zum Teil auf früheren ökologischen Lebensstilen basiert und auch neben anderen Lebensstilen existiert.
Die Bezeichnung 2.0 ist damit vielleicht als Sammelbegriff zu sehen, der eher ein- als ausschließt. Deswegen ist es natürlich umso wichtiger, über seine Bedeutung zu diskutieren :-)
roland meint
@horst … aber hast du dir jemals die Frage gestellt, warum sie keine Attrakive Zielgruppe sind und vor allem für wen? Für den Bereich Ehrenamtlichkeit sind sie das nämlich schon! Dass damit kein Geld zu machen ist ist eine Frage des Systems. Das ist änderbar und dann sind sie plötzlich DIE Zielgruppe.
@herwig … ich denke auch, dass jede Gruppe seine Vorlieben hat und wenn ich Kataloge wie den von Manufaktum, Biber, … hernehme, dann sind dort auch die „Konsumkritiker“ als Zielgruppe gut aufgehoben :-)
@daniel … die Versionsnummerierung ist jedenfalls zu hinterfragen. Sie vereinfacht es ja auch nur Schubladen zu öffnen. Dass eine Folgegeneration immer die Vorteile ihrer VorgängerInnen übernimmt ist wohl ein zutiefst darwinistisches Prinzip. Was mich dabei stört ist ja diese positiv-negativ Polarisierung oder Reduzierung. Die Begriffe werden als Marketinggag produziert. Real hat das keinen Wert meiner Meinung nach. Kaum ein Öko 2.0 der nicht auch gleichzeitig Öko 1.0 ist würde eine Gesamtökobilanz positiv bestehen. Einige Yuppies die jetzt plötzlich einen LOHAS führen sind so auswechselbar, wie die Bio-Unterwäsche, die sie tragen (öko ist sie meist ja sowieso nicht), wenn die nächste hippe Welle kommt :-)