Die Anzuggesellschaft hat in der BioFachWelt längst Einzug gehalten. Ein weiteres Zeichen dafür, dass es sich hier auch schon um einen gut zu bedienenden Kapitalmarkt handelt. Die Konsumenten, die bedient werden sollen werden beinhart analysiert und Unternehmensberater zeigen interessierten Kunden dann, wie aus all den Recherchen die besten Strategien für die Vermarktung der Produkte zu holen sind. Auf der Biofach 2008 in Nürnberg ließ sich einer dieser Berater, Jörg Reuter von der oekostrategieberatung Berlin, auf humorvolle aber auch sehr interessante Art und Weise in die Karten schauen.
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Sein Fazit gleich zu Beginn: die Gruppe der modernen Bio-Konsumenten, die die Firmen ansprechen müssen nennt sich LOHAS. Das ist nun ja weder überraschend noch neu. Dass die Zahl dieser Zielgruppe allerdings scheinbar schon wirklich eine kritische Masse erreicht hat demonstriert Reuter mit den 10 Wohlfühltipps von Nestlé auf einem ihrer Produkte (ich würde die Chefstrategen von Nestlé ja zu gerne einmal sehen, wenn sie kollektiv einen großen Baum umarmen, um seine Kraft zu spüren :-) und der Bewerbung von Ökostrom durch die Bild-Zeitung. Eindeutiges Green-Washing, aber offensichtlich ist auch deren Publikum schon empfänglich für solche Botschaften.
Jörg Reuter, beim Vortrag mit Hemd und Krawatte, wird im Vortrag nicht müde drauf hinzuweisen, dass er selbst Kinder hat und vom Öko 1.0 (die erste Generation der Ökos, laut seiner Definition) gar nicht so weit weg ist und man ist geneigt es ihm abzunehmen. LOHAS ordnet er unter ÖKO 2.0 bis 2.1 ein und stellt in den Raum, dass es bald auch ÖKO 3.0 KosumentInnen geben wird. Wer die sein werden, lässt er offen. Das werden wohl die Kunden erfahren, die für seine Dienste bezahlen. Beschreiben würde er die Zielgruppe mit den 3Gs für gerecht-gesund-Genuss und fügt gleich an, dass man möglichst alle 3 Komponenten abdecken muss. Keinesfalls darf man heute auf den Genuss-verzichten, denn LOHAS sind anspruchsvolle Anti-Verzichts-Konsumenten. Inbesondere bei verarbeiteten Produkten kommt diese Komponente zum Tragen. Einfach nur bio wird nicht mehr reichen. Die Auswahlmöglichkeiten sind vielfältig und damit auch die Produktbindung der KundInnen schwieriger. Zum Schluss gibt Reuter noch einmal eine, für mich sehr bezeichnenden Beschreibung von LOHAS: ihr USP (unique selling product) ist ein egoistischer Zugang mit einem gewissen Anspruch auf Gerechtigkeit.
Weil bei der BioFach ja auch ein Treffen der NachhaltigkeitsbloggerInnen stattgefunden hat, würde ich nach diesem Vortrag und dem etwas kritischen Blick auf so viele hippe Produkte auf der Fachmesse, die Zielgruppe der LOHAS nicht mehr als die konsequent nachhaltig lebenden bezeichnen. Immer mehr wird von ihnen nämlich der gesamtökologische Aspekt bei der Diskussion ausgeklammert. Es läuft letztendlich doch wieder auf Konsum en gros (mit Genuss) hinaus und das führt keineswegs zu einer nachhaltigen Entwicklung, weil wir in Europa einfach nicht die Ressourcen dafür haben (Verpackungen, Rohstoffe, Vielfalt an Obst, Gemüse), diesen Hunger zu stillen. Fordern wir aber gleichzeitig dieselben Bedingungen insbesondere am Arbeistmarkt auch in den großen Produktionsländern wie China oder Indien und einen CO2 neutralen Transport der Produkte, dann werden die steigenden Preise diese Form des Konsums für eine große Zahl von Menschen aber wohl oder übel nicht mehr zulassen.
Fazit für mich: Lifestyle ist meinst mit erhöhtem Konsum verbunden. LOHAS wollen bewußt nicht verzichten. Nachhaltigkeit knn dadurch aber nicht erreicht werden. Die Zielgruppe müsste also LOHAFT heißen (Lifestyle of Health an Fair Trade).
Reto meint
Naja, an LOHAFT müssen wir nochmal ein paar Marketingexperten dranlassen, weckt doch eher ungute Assoziationen ;-).
roland meint
ja … ich dachte beim Schreiben auch gleich an LACHHAFT. Das wollen ich denen, die ich damit meinte aber keineswegs nachsagen!