Buchrezension: Kathrin Harmann, Das Ende der Märchenstunde, Carl Blessing Verlag, München 2009
Das Ende der Märchenstunde wird wohl auch dieses Buch nicht sein. Der Markt an Bücher mit einem kritischen Blick auf die „neue strategische Konsumgesellschaft“, wie sie sich selbst bezeichnet, wird jedenfalls durch das Buch von Kathrin Hartmann bereichert. Teilweise zynisch und mit journalistischem Spürsinn deckt sie die zahllosen Ungereimtheiten der sogenannten LOHAS-Bewegung vor allem in Deutschland auf. In Österreich hat sich der Begriff nie durchgesetzt, dennoch sind die Beispiele aufgrund der meist identischen Akteure natürlich die Gleichen. Aldi heißt eben Hofer und Plus ist Zielpunkt.
Die Plattform utopia.de mit ihren Möchtegern-Utopisten ist eine der Zielscheiben von Hartmann. Den Widerspruch dieser Plattform, die „dann schon mal anfangt“ findet sie bereits im Namen: „Utopia, das ferne, unerreichbare Traumland, in dem ein gesellschaftlicher Idealzustand herrscht:Vor allem die Linke hat damit ihrer Vision einer wünschenswerten Gesellschaft Ausdruck verliehen, in der die Verteilungsgerechtigkeit die Grundlage für individuelle Freiheit und Demokratie bildet und nicht Konsum, Besitz und Profit. Nur leider lag der Begriff der Utopien, gleich neben den Ideologien, tief in der klemmenden Schublade der Linken„.
„Der alte Öko-Lebensstil war gekoppelt an Gedanken von Schuld und Verantwortung„, schreibt Hartmann und erkennt darin einen der zentralen Punkte an dem die „ÖKO 1.0“-Gesellschaft scheitert(e): Die EgomanInnen und Individualisten, die ihren LOHAS – es ist dies nämlich ein Lebenstil und kann damit keine Person sein – leben wollen, machen dies genussvoll und selbstbestimmt. Und obwohl viele erst durch die eigene Elternschaft – Hartmann bringt immer wieder Claudia Langer von utopia.de als Beispiel – zu diesem Lebensstil finden, endet das Verantwortungsgefühl dennoch bereits bei den eigenen Kindern wieder. Kinderarbeit wird zwar nicht toleriert, doch Unternehmen, die 90% ihres Umsatzes mit Produkten machen, bei denen diese Praktiken alltäglich sind, gehören dennoch zu den Guten, denn (So die LOHAS-Fans):
1. Wer mit Gutes-Tun wirklich Geld verdienen will, der kommt an den großen Konzernen nicht vorbei
2. Nicht die Politik hat die Fäden in der Hand, sondern die globalisierte Wirtschaft („Die Politik hat ihre Berechtigung, aber der Einfluss über Konsum ist direkt“, sagt Chrisdtoph Harrach)
Das nennt man dann selbsterfüllende Prophezeiung. Denn wer 2. glaubt für den ist 1. die logische Konsequenz. Klar ist aber, dass man zuerst daran glauben muss, dass die großen Veränderungen durch die Wirtschaft und in Folge durch den Konsum (das muss man als Konsument ja auch glauben) passieren. Als Beispiel dafür wird dann Ghandi herangezogen, der, so die Meinung eines Interviewpartners, „nie mit Politikern geredet hat“. Hartmanns Antwort darauf ist sehr deutlich:
„Zum Prinzip der Unlustvermeidung gehört eben auch der radikale Verzicht auf die Beschäftigung mit Geschichte„.
„Wenn jeder an sich selber denkt, dann ist an alle gedacht.“ Mit diesem Satz bringt Hartmann die Lebensphilosophie der LOHAS auf den Punkt.
„Sich gemeinsam für eine Sache stark machen, passt eben nicht ins System der Superindividualisten, die darauf aus sind mit ihrem Unternehmen ICH in Marktkonkurrenz gegen andere zu treten.“
Das wird auch bei uns immer deutlicher, wenn eine Hundertschaft an Organisationen aus der Zivilgesellschaft gerade einmal 13000 Menschen auf die Straße bringt um gegen ein Budget zu demonstrieren, das bspw. diejenigen zur Kasse bittet, die für die Zukunft unserer Gesellschaft stehen, die Familien und die Kinder. Das Budget ist in der Zwischenzeit beschlossene Sache. Der Protest weitgehend verstummt. Die, die ihre Stimme auch in der Politik stark vertreten haaben, konnten für sich noch Korrekturen bewirken.
„Es ist ein Trugschluss zu glauben, Konzerne würden nur nach den Wünschen ihrer Kunden schielen. Sie sind stark, weil sie ihre Anliegen in die Politik tragen. Zu glauben, die Wirtschaft sei leichter zu ändern als die Politik, ist nicht nur naiv, sondern gefährdet die Demokratie.“
Meiner Meinung nach wird der Einfluss von Lobbyeismus aus der Wirtschaft auf Gesetze und Politik unterschätzt oder gar übersehen. Zahlreiche Initiative verhindern, dass es klare rechtliche Regelungen gibt, die als Rahmenbedingungen die Nutzung dieser EINEN Welt ermöglichen. Hartmann zeigt in ihren Beispielen schön, wie sich die Initiativen der meisten Unternehmen durch die Forderung, dies freiwillig zu tun, geprägt sind. Die Kontrolle wird meist selbst übernommen oder von Organisationen, die im Zuge von Initiativen speziell gegründet wurden. Beobachter werden abgelehnt, Gesetze mit den Regeln des freien Marktes, geschützt durch die WTO, abgelehnt.
Märchen prägten unsere Kindheit und begleiten uns bis heute im Kino und bei unseren eigenen Kindern. Die Marketingbüros sind auf den Zug aufgesprungen. Sie machen uns alles glauben derzeit sind Ökologie und Soziale Gerechtigkeit eben „in“. Hauptsache ist, sie dienen dem Wachstum, das 2010 nach einer kurzen tiefen Krise „zum Glück wieder zurückgekehrt ist“. Der nächste Crash kommt bestimmt. Bis dahin genießen wir die Märchenstunde.
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